In seinem neuen, mittlerweile 12. Thriller »Messer − Ein Fall für Harry Hole« versetzt Bestsellerautor Jo Nesbø den ebenso genialen, wie labilen Osloer Ermittler in einen mörderischen Albtraum. Einen Albtraum, der sich − als der krankhafte Alkoholiker aus seinem bislang wohl schlimmsten Rausch erwacht − nicht in Luft auflöst und verflüchtigt, sondern als unumstößlicher Fakt entpuppt.
Auch dem Leser gefriert das Blut in den Adern, wenn Jo Nesbø den schrecklichen Anblick beschreibt, der sich Harry Hole bot, als er langsam zu sich kam und die Augen öffnete.
Was war passiert?
Hatte er sich tatsächlich in einem Wutanfall dazu hinreißen lassen, seine geliebte Rakel aus Frust über die Trennung mit einem Messer kaltblütig zu erstechen? Die Ungewissheit lässt Harry Hole immer mehr an seinem Verstand zweifeln und immer tiefer in einen gefährlichen Strudel aus Sucht, Depression und Halluzinationen versinken.
„Er versuchte, sich die Bilder vorzustellen, aber sie kamen nicht. Warum nicht? Musste er seinen Hass erst füttern? Er dachte an Rakel. Rakel auf dem Wohnzimmerboden. — Und dann kam das Bild. Harry schrie im Dunkeln und riss die Augen auf. Was zum Henker war passiert? Warum regenerierte sein Hirn ein Bild von im selbst? Blutüberströmt.”
Und als wären der Verlust von Rakel und das ihn quälende Dunkel darum nicht schon grausam genug, gerät der beruflich abgehalferte Ex-Kommissar ironischer Weise auch noch ausgerechnet zu einem Zeitpunkt unter Mordverdacht, als er zufällig eine frische Spur in einem alten Fall eines noch immer frei herumlaufenden brutalen Serienvergewaltigers aufnimmt.
Nichts ist, wie es scheint
„Er hob den Blick. Sah zu den auf der Anrichte bereitliegenden Messern. Er musste nur noch die Wahl treffen. Das richtige Messer für die richtige Tätigkeit war entscheidend.”
Aber enthüllt sich der gefühllose Psychopath, Messer-Freak und Alptraum jeder Frau, den Harry Hole auf dem Schirm hat, am Ende wirklich als Rakels Mörder?
Psychologisch geschickt erweitert Jo Nesbø Seite um Seite den Kreis der Verdächtigen und führt sowohl den verzweifelten Harry Hole, als auch seine gespannt der Lösung entgegenfiebernden Leser bis zum Ende auf falsche Fährten. Aber welcher echte Psychothriller-Fan liebt schon einfache Lösungen und genießt stattdessen nicht lieber hingebungsvoll die atemlose Spannung bis zu der Stelle, an der der Autor beschließt, den fein gesponnen Stoff Faden für Faden zu entwirren und das Geheimnis zu lüften?
„Harry war glücklich gewesen. Aber Glück ist wie Heroin, hat man es erst probiert, hat man erst erfahren, dass es das Glück wirklich gibt, findet man sich nie mehr mit dem gewöhnlichen, glücklosen Leben ab. Denn Glück ist etwas anderes als Zufriedenheit. Glück ist unnatürlich. Ein zitternder Ausnahmezustand, Sekunden, Minuten, Tage, von denen man weiß, dass sie nicht ewig andauern werden. Und mit dem Glück kommt die Sehnsucht, die traurige Gewissheit, dass es nie wieder so wie jetzt sein wird, sodass man bereits vermisst, was man hat. Es graut einem vor der Abstinenz, vor der Trauer über den Verlust, und man verflucht das Wissen darum, was man zu fühlen in der Lage ist.”
So muss Harry Hole erst selbst durch die Hölle gehen, bevor er es schafft, sich wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen und beginnt, in gewohnter Weise messerscharf zu analysieren.
Der verstellte Sender oder ein Feind unter Freunden
Spätestens als Harry Hole endgültig Gewissheit über die wahre Identität des Schuldigen erlangt und die Entlarvung des Mörders ab Seite 499 immer mehr Gestalt annimmt, mag man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Soviel nur sei verraten: An dem Motiv, das den Täter zum Mord an Rakel verleitete, ist Harry Hole nicht gänzlich ohne moralische Schuld. So kommt es, dass er am Ende aus Liebe zu einem Kind zum Lordsiegelbewahrer des sich selbst richtenden Mörders wird und zusammen mit einem ähnlich schuldbeladenen Mann stellvertretend für die Rachegöttin Nemesis eine Hinrichtung einfädelt.
Was wird aus Harry Hole?
„Katrine und Gert? Oder Kaja und Auckland? Jim Beam und Oslo? Nüchtern in Hongkong. Oder Caracas.”
Heißt es am Ende des Buches. Für welchen Weg wird sich Harry Hole nach dem vermeintlichen Abschluss der hochdramatischen, für sein weiteres Leben einschneidenden Ereignisse entscheiden? Verwirrt und unentschlossen vermag der selbst zum Sterben zu müde Mann keine selbstbestimmte Entscheidung mehr treffen zu können. So schließt der Thriller mit den bezeichnenden Worten:
„Harry griff in die Tasche und nahm den kleinen blaugrauen Metallkörper heraus. Sah auf die Augen darauf. Holte tief Luft. Legte die Hände zusammen und würfelte.”
Unser Fazit: Wir haben den neuen Pychothriller von Jo Nesbø, den wir auf der Frankfurter Buchmesse 2019 bei seiner Buchvorstellung am Messestand der Spiegel-Gruppe live erleben durften, in wenigen Tagen verschlungen und warten mit Spannung darauf, in seinem nächsten Buch zu erfahren, wie die Würfel für Harry Hole gefallen sind.
Der 576 Seiten starke emotions- und spannungsgeladene, von Günther Frauenlob aus dem Norwegischen übersetzte Kriminalroman
Messer − Ein Fall für Harry Hole
(ISBN 9783550081736) ist als Hardcover-Ausgabe mit Schutzumschlag im Ullstein Verlag zum Preis von € 24,00 erschienen.
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