Endlich frei …
Wenn man ein Privileg missbraucht, verliert man es. (Zitat von Mahtob Mahmoodys Lehrer aus der sechsten Klasse, Mr. Voeltz)
MAHTOB MAHMOODY: “Endlich frei ”
Jeder Leser, der den im Jahre 1987 aufrüttelnden Bestseller ihrer Mutter Betty Mahmoody »NICHT OHNE MEINE TOCHTER« gelesen und/oder den in 1991 zugegebener Maßen etwas überspitzt schwarzweißmalerischen amerikanischen Spielfilm gesehen hat, wird sich dafür interessieren, was aus der damals knapp 5-jährigen Mahtob geworden ist. Wie lebt sie mit ihren Erinnerungen und was hat sie der Welt heute zu sagen?
»Ich bin die Tochter aus NICHT OHNE MEINE TOCHTER. Hier ist die ganze Geschichte«.
Mit diesen Worten stellt sich Mahtob Mahmoody ihren Lesern vor und so lautet auch der Untertitel ihrer herzzerreißenden Autobiografie
Endlich frei.
Durch die Niederschrift ihrer Lebensgeschichte hat sich die mittlerweile 35-jährige liebenswerte, lebensbejahende und tapfere junge Frau endgültig »endlich frei« gemacht und ihr Leben erfolgreich in die Hand genommen. Die überzeugte Christin Mahtob Mahmoody wird auch ihre Zukunft mit Gottes Hilfe ohne Verbitterung meistern und ‒ wie in ihrem Lieblingsgedicht »Das Gedicht des Webers« von Benjamin Malachi Franklin eindrucksvoll beschrieben ‒ mit allen Licht- und Schattenseiten, den goldenen und dunklen Fäden ihres Lebensmusters, dankbar akzeptieren.
Bekanntlich trat Mahtob Mahmoody auf Initiative ihres iranstämmigen Vaters am 1. August 1984 mit ihren Eltern eine Reise in dessen Heimat an. Sowohl gegen ihren, als auch gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Mutter, wurde aus einem für eine Dauer von zwei Wochen geplanten Urlaub ein achtzehnmonatiger Zwangsaufenthalt, dem Mutter und Tochter nur durch Flucht entkamen.
Endlich frei
Das Land befand sich damals mitten im Krieg mit dem Nachbarstaat Irak und wurde von dem seit der islamischen Revolution herrschenden Ajatollah Khomeini regiert. Unter dem Einfluss dieser streng konservativen muslimischen Herrschaft hatte das Land viele westliche Freiheiten abgelegt. Die Frauen trugen bodenlange schwarze Tschadors, die nur einen Teil des Gesichts unbedeckt lassen und von innen festgehalten werden, so dass auch die Hände verborgen bleiben. Gleich zu Beginn ihrer Ankunft bei den Verwandten ihres Vaters erlebte Mahtob einen blutigen Kulturschock. Zu Ehren der Gäste wurde traditionell einem Schaf vor der Schlachtung die Kehle durchgeschnitten. Mahtob hat nie vergessen, wie sie damals ihr Gesicht an der Schulter ihrer Mutter vergrub, als ihre Eltern über die Blutlache hinwegstiegen und ins Haus ihrer Tante Ameh Bozorg gingen.
Nicht vergessen hat sie auch, wie sich ihr bis dahin liebevoller Vater zusehends immer mehr in einen fanatischen Tyrannen verwandelte. Einen häuslichen Despoten, der ihre Mutter brutal schlug, wenn sie es wagte ihn an seinen Schwur auf den Koran zu erinnern, dass man eigentlich nach einigen Wochen wieder gemeinsam nach Hause in die USA zurückkehren wollte. Nie vergessen hat Mahtob Mahmoody auch die schemenhaften Bilder ihrer lebensgefährlichen Flucht durch das zerklüftete, mit Pulverschnee bedeckte Zagros-Gebirge. Denn wäre es nach Bozorg Mahmoody gegangen, hätte zwar seine amerikanische Ehefrau offiziell ausreisen dürfen, allerdings nur allein. Da Mutter Betty Mamoody jedoch weder jemals wieder zu ihrem Peiniger zurückkehren, noch ihre kleine Tochter zurücklassen wollte, war sie gezwungen mit Hilfe kurdischer Schleuser heimlich mit ihrem Kind über die Grenze in Richtung Türkei zu fliehen.
Es hat lange gedauert, bis Mahtob Mahmoody wirklich »Endlich frei« war.
Nach ihrer Rückkehr in die USA gab die Mutter ihr Bestes, Mahtob in ihrem neu gewonnenen gemeinsamen Leben immer ein liebevolles Zuhause, Halt und Geborgenheit zu geben. Nicht zuletzt auch dank der Unterstützung ihrer großen Familie, vielen Freunden, Bekannten ‒ sowie Lehrkräften, Geistlichen, Medizinern und vielen anderen aufgeschlossenen, hilfsbereiten Menschen mehr ‒ ist es ihr gelungen, ihre Tochter zu einem positiven und weitherzigen Menschen zu erziehen, der auch den väterlichen Wurzeln ihren gebührenden Platz einräumt. Durch ihre behutsamen, aber konsequenten Bemühungen, das persische Erbe ihres Kindes ‒ vielen bitteren Erinnerungen zum Trotz ‒ zu bewahren und zu behüten, liebt Mahtob exotisch-orientalische Dinge wie: Traditionelles persisches Essen, Kaffee auf arabische Art, perfekt gerollte Granatäpfel, goldene Armreifen die so herrlich am Handgelenk klimpern, sowie ihre braunen Augen auf persische Art mit Kayal zu umranden, um ihnen den gewünschten mandelförmige Ausdruck zu verleihen. Mahtob bedeutet ›Mondlicht‹ ‒ und wie der Neumond im Frühjahr feiert die junge Frau noch heute begeisterter denn je Nouruz, das persische Frühlingsfest, schmückt den festlich gedeckten Haft-Sin-Tisch mit jungem Weizen und erzählt den Kindern ihrer Gäste die alt-persische Sage von dem Widder, der das ganze Jahr hindurch die Erde auf einem seiner Hörner trägt.
Ihr in ihrem Buch
Endlich frei
mehrfach zitiertes Lieblingsgedicht vom Weber lässt die tiefgläubige Christin sowohl an das Webmuster ihres eigenen Schicksals, als auch an die Schönheit der farbenprächtigen persischen Teppiche denken, die ein wichtiger Teil ihres kulturellen Vermächtnisses sind. Ihr Glaube gab ihr Kraft ihren eigenen Weg zu finden, eine bedrohliche Autoimmunerkrankung zu überstehen und unter Kontrolle zu bringen, sowie auch mit der problembeladenen familiären Beziehung zu ihrem Vater umzugehen. Denn leider wurde Mahtob Mamoody bis zu dessen Tod im Jahre 2009 offensichtlich in regelmäßigen Abständen immer wieder durch von ihm beauftragte Dritte ausspioniert, verfolgt und belästigt, − mit dem Ziel ihre Rückkehr in den Iran, bzw. eine Kontaktaufnahme zu erzwingen. Mahtob Mamoody hat daher in ihren 35 Lebensjahren mindestens ebenso viele Umzüge hinter sich bringen müssen. Obgleich sie ihrem Vater nicht zuletzt um ihres eigenen Seelenheils willen im Laufe der Jahre verziehen hatte, ging sie dennoch auf keine seiner späteren Bitten um Kontaktaufnahme ein, oder wechselte jemals ein Wort mit ihm. »Ihr Dad« war für sie bereits zu dem Zeitpunkt gestorben, als er sich in ihrer Kindheit innerhalb kürzester Zeit zu einem egozentrischen und gewalttätigen Menschen entwickelte, dessen unheilvollem Machtbereich sie und ihre Mutter letztendlich nur durch Flucht entrinnen konnten.
Mahtob Mahmoody widmet ihre Autobiografie
Endlich frei
ihrer geliebten »Mom« Betty, die nie aufgehört hat für sie zu kämpfen und ihrem Schutzengel Anja ‒ der legendären Lübbe-Programmchefin und guten Freundin der Familie ‒ , deren Wunsch für sie in Erfüllung gegangen ist. Die sensibel und zugleich unterhaltsam geschriebenen, zu einem 416 Seiten starken Buch zusammengefassten Erinnerungen
Endlich frei,
(ISBN 978-3-431-03919-1) sind als gebundene Ausgabe mit Lesebändchen beim Lübbe Verlag zum Preis von € 19,99 erschienen.