Rezension des packenden, hochbrisanten und aufrüttelnden Spiegelbestsellers Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat von Jürgen Todenhöfer.
Als Mitte Januar 2015 Jürgen Todenhöfers dreizehnminütiges Video des Interviews, das er im Dezember 2014 in Mossul (Irak) führte, im TV gesendet wurde, stockte einem bei den Aussagen des deutschen Islamisten und IS-Kämpfers Christian E. aus Solingen der Atem. Wenn man bedenkt, dass die grausamen Aktivitäten und Morde dieser im Sommer 2014 zu einem „Islamischen Staat“ mutierten Terrororganisation missbräuchlich im Namen einer Religion verübt werden, gefriert einem das Blut in den Adern.
Wie heißt es in einem Zitat von Blaise Pascal, französischer Mathematiker, Physiker und Philosoph * 19.06.1623, † 19.08.1662: ”Niemals tut man so vollständig und so gut das Böse, als wenn man es mit gutem Gewissen tut.”
Für uns war es ein Muss, mehr über Jürgen Todenhöfers lebensgefährliche Reise mitten ins Herz des von IS-Dschihadisten eroberten und kontrollierten Gebietes in Syrien und im Nordirak zu erfahren und sein Buch
Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat
direkt nach der Veröffentlichung Ende April 2015 zu lesen.
Zum Autor
Für den Publizisten Jürgen Todenhöfer war und ist es seit über 50 Jahren ein Muss, alles daran zu setzen, bei Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen höchstpersönlich die jeweiligen Krisengebiete aufzusuchen, um in Gesprächen mit den Vertretern der beteiligten Parteien so viel wie möglich über die jeweiligen Motive herauszufinden. Nur so und nicht anderes ist eine neutrale Recherche und eigene Meinungsbildung möglich, die dazu taugt, die breite Öffentlichkeit zum objektiven Denken und Nachdenken anzuregen. Der Autor engagiert sich übrigens seit Jahren vorbildlich im Namen der Humanität für notleidende Menschen in Krisen- und Kriegsgebieten. Mit den Honoraren für seine Bücher unterstützte er u. a. ein Waisenhaus in Afghanistan, ein HIV-Kinderkrankenhaus im Kongo, ein israelisch-palästinensisches Versöhnungsprojekt und schwer verletzte syrische Kinder.
Das Honorar seines Buches Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat geht an syrische und irakische Flüchtlinge, sowie an Kinder in Gaza. In den letzten Jahren führten ihn seine Reisen vorwiegend nach Nahost und Nordafrika; in Länder wie Afghanistan, Ägypten, Libyen, Tunesien und Marokko, nach Pakistan, in den Iran und Irak und sechsmal nach Syrien.
Wissenswertes zum Islamischen Staat (IS)
In den ersten Kapiteln seiner Publikation Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat beschreibt Jürgen Todenhöfer ausführlich und nachvollziehbar die mutmaßlichen Ursachen für die Geburt des Islamischen Staats. Er sagt: Der ›IS‹ ist kein Kind des Islams, sondern vor allem des Irak-Krieges in 2003. Der systemkritische Publizist sieht als Auslöser für den flächenbrandartigen Dauerkonflikt zwischen Nachbarstaaten, Bürgern und Glaubensbrüdern nicht nur vordergründige kontroverse ideologisch-religiöse Wertvorstellungen. Parallel zu vielen Beispielen anderer alter und neuer Schauplätze kriegerischer Auseinandersetzungen, Völkermorde und Vertreibungen führt er auch hier einen Großteil der Schuld auf die eigennützige Einmischung der NATO-Westmächte ‒ allen voran der führenden amerikanischen Weltpolitik ‒ zurück.
Auch Deutschland liefert Waffen in dieses Krisengebiet, speziell an die kurdischen Peshmerga und beteiligt sich mittlerweile sogar an den vielleicht unvermeidlichen, aber politisch durchaus umstrittenen Kriegseinsätzen im IS-Gebiet. Wurde uns nicht auch seinerzeit von unseren Volksvertretern eingeredet, dass es als alternativlos gelte, unsere Sicherheit am Hindukusch zu verteidigen, um den internationalen Terrorismus zu besiegen? Stattdessen gibt es heute 100-Mal mehr Terroristen als vor 10 Jahren! Angesichts der sich täglich höherschraubenden Endlos-Gewaltspirale in dieser Region stellt sich überhaupt immer mehr die Frage: Gibt es »gute« Bomben? Allerdings sind jedoch weder westliche egoistisch-wirtschaftliche Interessen, noch falsche Bündnispolitik eine Entschuldigung für nationalen und internationalen Terrorismus; der letztendlich genau wie ferngesteuerte amerikanische Drohnenangriffe zu 90% nur wehrlose Zivilisten und unschuldige Kinder trifft.
Der Autor weiß: Der ›IS‹ hat mit dem Islam so wenig zu tun, wie Vergewaltigung mit Liebe. Hat ein Regime ‒ dessen Herrschaft sich »unter Berufung auf das absolute Recht des heiligen Koran« auf mittelalterlich-rückständige Lebensführung begründet ‒ und das seine öffentlich zelebrierten Grausamkeiten aus Propagandazwecken mit Hilfe modernster Medien gezielt weltweit verbreitet ‒ wirklich eine Zukunft? Werden ‒ und wenn wie lange ‒ letztendlich die zahlenmäßig überlegenen, mehrheitlich gemäßigten und liberalen Muslime eine Ausweitung des am 29. Juni 2014 ausgerufenen Kalifats widerstandslos hinnehmen? Wann nimmt das Blutvergießen ein Ende? Wäre es nicht endlich an der Zeit, dass sich vernünftige politische Lösungen durchsetzen? Jürgen Todenhöfer drückt das z. B. bei Facebook so aus: »Ideologien kann man nicht erschießen. Man muss ihre Ursachen politisch beseitigen und ihnen den Nährboden entziehen.«
Erste Kontakte
Wie aber lebt es sich eigentlich aktuell in diesem ‒ ›im Namen des Islam‹ und der Gerechtigkeit eroberten ‒ totalitären und streng kontrollierten Kalifat-Staat von der Größe eines Landes wie Großbritannien nach den alleinigen Gesetzen der Scharia? Welche Absichten und weiterführenden Ziele strebt man ›im Namen des Islam‹ und der Gerechtigkeit an? Autor Jürgen Todenhöfer nahm im Internet über Facebook Kontakt zu Sympathisanten und mutmaßlichen IS-Kämpfern auf. Sein erster Chatpartner ‒ mit dem er später auch Skype-Telefonate führte ‒ war ein junger Jihadist mit Migrationshintergrund aus Frankfurt, der sich zur Selbstfindung zum Mujaheddin berufen fühlte, in Syrien zwar auch gegen das Assad-Regime kämpfte, sich aber vom ›IS‹ nachdrücklich distanzierte. Nachdem dieser Kontakt jedoch nach einigen instruktiven Gesprächen für immer abbrach, meldete sich plötzlich ein wirklicher ›IS-Gotteskrieger‹. Bei diesem Mediensprecher des Islamischen Staat’s namens »Abu Qatadah«, handelte es sich unzweifelhaft um den Konvertiten Christian E. aus dem nordrhein-westfälischen Solingen, dessen Freund »Uthman al-Almani« alias Robert B. sich und andere im Januar letzten Jahres bei einem Selbstmordattentat in Syrien mit einer Autobombe in die Luft sprengte. Nach den pi-mal-Daumen-Schätzungen von »Abu Qatadah« (alias Christian E.) kämpfen inzwischen 15.000 bis 20.000 ›Gotteskrieger‹ in Syrien und im Irak für den »Islamischen Staat« und es sollen täglich neue fanatische Kämpfer dazu kommen.
Die Reise in den Islamischen Staat
Monate später ist es nach mehreren erschreckend aufschlussreichen fernmündlichen Gesprächen und zähen Verhandlungen endlich soweit, dass Jürgen Todenhöfer seine Reise auf Suche nach der Wahrheit in den Islamischen Staat antreten darf und als erster offizieller westlicher Berichterstatter für sich und seine beiden Begleiter, Sohn Frederic und dessen Freund »Malcolm« (alias Matthias R.) sogar eine persönliche Sicherheitsurkunde für den Aufenthalt im Kalifat bekommt. Jürgen Todenhöfers grundlegend kritische Haltung zum IS stellt dabei kein Hindernis dar, zumal die Reise vom IS organisiert und ihm als ständige Kontaktpersonen und Reisebetreuer besagter Abu Qatadah, ein weiterer deutschsprachiger Kämpfer mit marokkanischen Wurzeln namens »Abu Loth«, sowie darüber hinaus bewaffnete Bewacher nebst Fahrern zur Seite gestellt werden. Auf Wunsch des Autors soll die für eine Dauer von rund einer Woche geplante Tour über Rakka (Al Raqqa/Syrien) ins ca. 500 Kilometer weiter entfernte Mosul (Mossul/Irak) führen. Wie Jürgen Todenhöfer zu seinem Entsetzen erst später erfährt, saß wahrscheinlich der Tod direkt am Steuer. Zumindest wies der für den überwiegende Teil der Strecke zugeteilte Fahrer in seinem Aussehen und Verhalten erschreckende Ähnlichkeiten mit dem weltweitgesuchten IS-Henker »Jihadi John« auf, von dem es allerdings nach neuesten Erkenntnissen heißt, dass es sich nicht wie ursprünglich gedacht um den englischen Rapper Abdel-Majed Abdel Bary, sondern mutmaßlich um einen Programmierer aus London mit Namen Mohammed Emwazi handeln soll.
Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat
10 anstrengende und gefährliche Tage lang halten sich Jürgen Todenhöfer und sein Team in der Höhle der Löwen auf, fahren quer durch den für jeden Ungläubigen gefährlichen Gottesstaat. Eine Reise wie ein Ritt auf einer Rasierklinge ‒ immer auf der Hut ‒ , sowohl vor der Unberechenbarkeit ihrer immer schlechter gelaunten schwer bewaffneten Begleiter, als auch vor amerikanischen Bomben- und Drohnenangriffen. Tagelang können sie keinen Kontakt nach Hause aufnehmen, so dass dort schon das Schlimmste befürchtet wird. Nach eigenem Bekenntnis fällt Jürgen Todenhöfer eine Tonnenlast von den Schultern, als er am 15.12.2014 mit seinen beiden tapferen Reisegefährten unversehrt endlich wieder auf türkischem Boden steht. Das spannende und hochinformative Sachbuch Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat endet mit einem ›offenen Brief an den Kalifen des Islamischen Staat’s und seine ausländischen Kämpfer‹, in dem sich Jürgen Todenhöfer noch einmal für die Gastfreundschaft bedankt, ansonsten aber aus seinem Herzen keine Mördergrube macht.
Gibt es politische Lösungen ?
Jürgen Todenhöfer trat die Reise mit der Motivation an, so viel wie möglich über den ›Islamischen Staat‹ zu erfahren und wertvolle Recherchen für seine Publikation
Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat
zu sammeln. Frei nach dem Motto: »Wer seine Feinde besiegen will, sollte sie kennen.« Sein ernüchterndes Fazit: »Der ›IS‹ ist mächtiger und gefährlicher als viele westliche Politiker ahnen.« Weiterhin führt er am 04.02.2015 bei Facebook aus: »Im Irak ist der ›IS‹ nur erfolgreich, weil er von der ‚gemäßigten‘ sunnitischen Bevölkerung unterstützt wird. Diese wird seit 2003 von der schiitisch dominierten Regierung in Bagdad massiv diskriminiert. Wer den radikalen ›IS‹ stoppen will, muss diese Diskriminierung beseitigen und die Millionen Sunniten wieder zu gleichberechtigten Mitgliedern des irakischen politischen Lebens machen. Auch in Syrien brauchen wir eine nationale Aussöhnung, bei der das Regime ebenfalls tiefgreifende politische Zugeständnisse machen muss. Vor allem an die armen Bevölkerungsschichten der Vorstädte. Die meisten Assad-Gegner sind keine Terroristen und keine ›IS‹-Anhänger. Geeint könnten die Syrer den ›IS‹ schlagen, der in ihrem Land zu 70 Prozent aus Ausländern besteht. Der Westen darf nicht warten, bis der ›IS‹ auch noch Saudi-Arabien oder Jordanien ins Chaos stürzt. Es ist kurz vor zwölf. Wir müssen und können ›IS‹ stoppen. Mit kluger Politik. Mit Realpolitik statt mit sinnlosem Rumbombardieren. Außer wir wollen Mosul und Raqqa genauso befreien und dem Erdboden gleichmachen wie Kobane. Dort steht kein einziges Haus mehr.«
Heute − rund ein gutes Jahr später − herrscht in Syrien fürs Erste ein brüchiger Waffenstillstand. Das Land ist viergeteilt zwischen Regierung, Rebellen, IS und Kurden. Die militärischen Kräfteverhältnisse sind schwierig zu überblicken. Klar ist allerdings: ”Die meisten Regimegegner wollen einen Gottesstaat”, stellt Jürgen Todenhöfer in seinem Gastbeitrag vom 3. März 2016 in der Rheinischen Post fest und beklagt: ”Für westliche Werte kämpft in Syrien keiner”.
Der packende, hochbrisante und aufrüttelnde Spiegelbestseller
Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat
(ISBN 978-3-570-10276-3) ist als gebundene Ausgabe beim Verlag C. Bertelsmann erschienen und kostet € 17,99.
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