Donna Leon bleibt ihren Traditionen treu: Verlässlich wie in jedem Jahr legt sie unter dem Titel »Heimliche Versuchung« – Commissario Brunettis 27. Fall vor.
Wir haben ihren neuen Roman, der aktuell auf Platz 3 der Spiegelbestsellerliste rangiert, gerade gelesen und können ihn allen Venedig- und Brunetti-Fans empfehlen.
Alles beginnt mit einer besorgten Mutter, die den Commissario an einem kühlen Novembertag in der Questura aufsucht und ihm ihre Befürchtung mitteilt, dass ihr minderjähriger Sohn in der Schule mit Drogen konfrontiert wird. Brunetti, dem die Frau als Professoressa Crosera − eine Kollegin seiner Gattin Paola − bekannt ist, verspricht der Sache nachzugehen. Doch noch bevor er Erkundigungen einholen kann, erhält er in der kommenden Nacht den Anruf seiner Kollegin Claudia Griffoni mit der dringenden Bitte, sich wegen einer Zeugenbefragung sofort im örtlichen Krankenhaus einzufinden. Bevor er sich auf den Weg macht, erfährt Brunetti noch, dass es sich um einen Mann handelt, der mit einer schweren Kopfverletzung auf einer Brücke gefunden wurde.
Tragischer Unfall oder ein Verbrechen?
Zu seinem Erstaunen trifft der Commissario am Bett des Schwerverletzten die völlig aufgelöste Frau Professoressa Crosera wieder, die sehnlichst darauf wartet, dass ihr verunglückter Ehemann wieder aus dem Koma erwacht. Sowohl die Ehefrau als auch Brunetti fragen sich: Was hatte der Mann mitten in der Nacht auf der Brücke zu suchen? Fand dort vielleicht ein geheimes Treffen mit jemandem statt, der mit dem mutmaßlichen Drogenmissbrauch des Sohnes zu tun hat? Der Schwerverletzte selbst wird aller Voraussicht nach nie etwas zur Klärung des Unglücks beitragen können. Selbst wenn er jemals wieder aus dem Koma erwachen sollte, erfährt Brunetti vom behandelnden Neurologen, bliebe ein irreparabler Hirnschaden mit allen bekannten Auswirkungen und Folgen zurück.
Grünes Licht von Vice Questore Patta
Brunetti startet die Ermittlungen und nimmt zusammen mit Sergente Vianello die Vorgänge rund um die Privatschule höchstpersönlich in Augenschein. Sein Verdacht auf ein Verbrechen erhärtet sich zunehmend, nachdem ein Informant aus der Drogenszene weitere Hinweise liefert. In der Wohnung des Professorenehepaars findet er einen Stapel dubioser Coupons im Wert von hunderten von Euros. Alle Gutscheine sind auf den Namen der hochbetagten Tante des Verunglückten ausgestellt und können nur gegen hochwertige Kosmetika in einer bestimmten Apotheke eingelöst werden. Spätestens jetzt ist Brunettis Jagdinstinkt endgültig erwacht.
Die Spur des Geldes
Mehr möchten wir der Spannung halber nicht vorwegnehmen, nur so viel sei verraten: Donna Leon legt in
Heimliche Versuchung – Commissario Brunettis 27. Fall
für ihren Romanhelden nicht wenige falsche Fährten aus, die sich entweder als kalt erweisen oder zu falschen Verdächtigungen führen, bevor er – fast schon resigniert − auf Umwegen endlich doch noch den Fall lösen kann. Als er jedoch die tragischen Beweggründe erfährt, die zu dem verhängnisvollen Unglück geführt haben, erliegt er selbst fast der heimlichen Versuchung, Gnade vor Recht ergehen zu lassen.
„Frei von Unglück ist niemand” (Sophokles, 496 – 405/6 v. Chr. − griechischer Flottenbefehlshaber, Politiker und Tragödiendichter)
In ihrem jüngsten Werk
Heimliche Versuchung
beweist Donna Leon wieder einmal mehr ihr schriftstellerisches Talent sowie ihre Fähigkeit, sowohl komplexe Handlungen zu konzipieren, als auch interessante Charaktere zu erschaffen und deren Motive psychologisch real darzustellen und zu durchleuchten. Dabei ist ihre Leidenschaft für griechische Tragödien, die sie auch ihrem Helden Brunetti ins Herz geschrieben hat, unübersehbar. Eine unbedingt konstruktive Leidenschaft, — lassen sich doch aus diesem antiken Urquell voller menschlicher Laster und Tugenden unendlich viel Stoff und neue Ideen für anspruchsvolle moderne Literatur schöpfen.
Unser Urteil: Wie schon eingangs erwähnt, ein weiterer neuer Leckerbissen für Venedig- und Commissario-Brunetti-Fans!
Donna Leons 328 Seiten starker Roman
Heimliche Versuchung – Commissario Brunettis 27. Fall
(ISBN 978-3-257-07019-4) ist als Hardcover(Leinen)-Ausgabe zum Preis € 24,00 im Diogenes Verlag erschienen.
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