DIE SCHWARZE MACHT – Der „Islamische Staat“ und die Strategen des Terrors / Christoph Reuter

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DIE SCHWARZE MACHT – Der „Islamische Staat“ und die Strategen des Terrors / Christoph Reuter

Christoph Reuters bereits im Frühjahr 2015 erschienenes, informatives, sorgfältig recherchiertes und mit jeder Menge fundiertem  Hintergrundwissen ausgestattetes Sachbuch »DIE SCHWARZE MACHT«

  Der »Islamische Staat« und die Strategen des Terrors,

›für das er mit dem NDR Kultur-Sachbuchpreis 2015 ausgezeichnet wurde‹, ist nach den furchtbaren Terroranschlägen in Paris und dem jüngstem Selbstmordattentat in Istanbul, dem zehn deutsche Touristen zum Opfer fielen, aktueller denn je.

Die Schlafwandler

Die türkische Touristikbranche ist in Aufruhr und fürchtet um ihre wichtigste Einnahmequelle. Dabei ist gerade die Türkei − die ausländischen Dschihadisten lange Zeit als Garant für eine freie Fahrt nach Syrien und in den Nordirak galt − nicht zufällig, sondern eher sehenden Auges in die Falle des »IS« getappt. So lautet denn auch ein Kapitel

Der »IS« als Terror-Exporteur

Der Autor stellt fest: ”Doch dass die Anschläge jetzt so gehäuft und an so vielen verschiedenen Orten geschehen, hat einen Grund, denn es ist keine einzelne Welle, die heranbrandet und schnell wieder verebbt. Was stattfindet, ist das stete Ansteigen eines Pegels, ein Gezeitenhub der Militanz. Die echte wie die virtuelle Existenz des „Islamischen Staates“ scheinen überall auf der Welt einen enormen Einfluss auf die Zukurzgekommenen, die Wütenden der Vorstädte zu haben, deren destruktive Energie bislang richtungslos blieb und verpuffte. Oder die vielleicht noch nicht einmal Wut verspürten, nur ein vages Ressentiment, Leere, Verwirrung. Millionen Muslime fühlen sich zu Recht oder zu Unrecht in ihren westlichen Heimatländern an den Rand gedrängt, sei es in den Banlieues von Paris und Toulouse, den Ghetto-Siedlungen von Göteborg oder in Dinslaken-Lohberg, einer früheren Zechensiedlung in Nordrhein-Westfalen, aus der mehrere junge Männer zum »IS« aufgebrochen sind“ …… − die zum Töten bereit waren. Inzwischen sind einige wieder zurückgekehrt und schildern vor Gericht die Folterpraktiken im „Islamischen Staat“.

Der „Islamische Staat“ und die Medien

Christoph Reuter führt weiter aus: ”Ihr Dasein hat sich seit dem Auftauchen des „Islamischen Staates“ keinen Deut verändert, und schuldig gemacht für ihre Misere haben sie auch schon vorher die anderen: den Staat, die Gottlosen, die Juden und Amerikaner, wer immer im rauschenden Kosmos der Verschwörungstheorien gerade der Hauptfeind ist. Doch etwas hat sich nun verändert: Es gibt eine Macht, die all denen die Stirn bietet. Die ihnen sagt, twittert, in Videos zeigt: „Es gibt einen dringenden Grund, gegen die Welt zu kämpfen! Es ist Gottes Plan, wir müssen ihn umsetzen. Und an unserem Erfolg merkt ihr, dass wir auf dem richtigen Weg sind!“ Seht her, lautet die Botschaft: „Wir Muslime werden angegriffen vom Westen! Die wollen uns bekämpfen, töten und vernichten! Die wollen den Islam nicht, den wir doch verkörpern mit dem Staat! Aber: Jetzt gibt es eine Kraft, die sich endlich gegen den bösen Westen zur Wehr setzen kann. Uns! Und du kannst teilhaben an ihr!

Gefährliche Faszination: DIE SCHWARZE MACHT »macht Staat«

Das ist die Essenz aus den Propagandavideos des „Islamischen Staates“, die daherkommen wie eine real gewordene Version von »Counter-Strike«, aus dem völlig unbeirrbar erscheinenden Selbstbewusstsein, mit dem der »IS« sich präsentiert − und aus seinem bisherigen, ganz realen Erfolg. Zum ersten Mal wird von Islamisten nicht nur gebombt, lamentiert und bezichtigen, sondern »Staat« gemacht.

Der Karneval der Dschihadisten

Verkannt wird jedoch von den vielen aus europäischen Ländern stammenden Dschihadisten, dass sie in der Hierarchie des »IS« − nicht zuletzt wegen ihrer fehlenden, bzw. mäßigen Kenntnisse der Arabischen Sprache − weit unten stehen. Der Autor drückt das so aus: ”Vor allem Konvertiten, die sich aus Europa auf den Weg zum »IS« machen, sind in der Regel nicht die hellsten Köpfe. Ähnlich den Attentätern von Paris oder Sydney haben viele von ihnen eine Biographie aus Schulabbrüchen, Knast-Aufenthalten, Arbeitslosigkeit oder psychischen Problemen, die einen völligen Neustart der eigenen Biographie verlockend machen – aber kaum dazu prädestinieren, in einer fremden Umgebung komplizierte Tätigkeiten zu bewältigen. Im Vergleich zu den oft gut ausgebildeten Dschihadisten etwa aus Tunesien, Jordanien oder Indonesien, zu den militärisch erfahrenen Tschetschenen, stellen diese Zugereisten eher den Bodensatz der ausländischen Kämpfer. Die Führungspositionen innerhalb des »IS« bis hinunter auf die Ebenen der lokalen Emire, der »Richter« und Verwaltungschefs für die Nahrungs- und Stromversorgung haben Araber inne, in erster Linie Iraker, Syrer und Tunesier.

Wechselhafte Anfänge / Al-Qaida war gestern

Aber wann und wo genau hat alles angefangen? Und vor allem »wie« wurde die in puncto organisierte Grausamkeit selbst Al-Qaida übertreffende Terrorvereinigung „Islamischer Staat“ zu dem, was sie heute verkörpert: Ein Kalifat mit einer Miliz des Schreckens, das sich im Namen des Islam − mitsamt seinem diabolischen Führer Abu Bakr al-Baghdadi − von seinen fanatischen Anhängern als »Gottesstaat« feiern lässt. DIE SCHWARZE MACHT, die nicht von außen, sondern wirklich endgültig nur von innen besiegt werden kann.

Das Stasi-Kalifat oder Nordkorea auf Arabisch

Was keinem seiner Vorgänger und Konkurrenten – angefangen von Osama Bin Laden, über die Muslimbrüder, bis hin zu zig kleineren Dschihadistengrüppchen oder nationalen Bewegungen wie die Taliban – gelungen ist, haben die strategisch operierenden Köpfe der »Schwarzen Macht« innerhalb kürzester Zeit mit einer wohldosierten und akribisch ausgeklüngelten Mischung aus militärischen Geheimdienst-Methoden, modernster Medien-Propaganda, willkürlichem Terror und brutaler Gewalt, sowie neuester Technik und Waffen geschafft: Ein Gebiet in der Größe Großbritanniens mit mehr als 5 Millionen Einwohnern zu erobern und dieses Territorium bislang – wenn auch immer wieder angefochten – zu verteidigen. Als Planer und Baumeister dieses Stasi-ähnlich strukturierten islamisch-fundamentalistisch geprägten diktatorischen Staatsgebildes taucht immer wieder der Name des ehemaligen irakischen Militäroffiziers Haji Bakr auf, der nach dem Sturz von Saddam Hussein und der nachfolgenden amerikanischen Besetzung seine Position verlor und im Januar 2014 von schiitischen Rebellen getötet wurde.

Wer köpft, dem glaubt man

Sowohl präzise und sachlich, als auch anspruchsvoll und unterhaltsam, führt Christoph Reuter den Leser in die wechselhafte Entstehungsgeschichte des ”Islamischen Staates” ein. Als fließend Arabisch sprechender, studierter Islamwissenschaftler und seit Jahrzehnten aus den Krisenregionen der arabischen Welt berichtender Spiegel-Korrespondent, weiß der Autor genau wovon er spricht und handelt nicht mit Spekulationen. Damit hebt er sich von dem ebenfalls populären Publizisten Jürgen Todenhöfer − der mit seinem Sachbuch »Inside IS − 10 Tage im Islamischen Staat« und seinem Interview mit dem deutschen Dschihadisten ›Christian E.‹ in Mosul deutschlandweit für Aufsehen gesorgt hat − insoweit ab, dass er rund um sein Werk

DIE SCHWARZE MACHT − Der »Islamische Staat« und die Strategen des Terrors

dem »IS« keine Propaganda-Plattform für ihre an alle Ungläubigen im Westen gerichteten grotesken Drohungen und Mordankündigungen bietet. Christoph Reuter argumentiert auf Seite 247 wie folgt: ”Der »IS« schätzt in jeder Hinsicht Menschen, die tun was man ihnen sagt. Oder es weitersagen”.

Das 352 Seiten starke aufklärende SPIEGEL-Sachbuch − ein Muss für jeden zeitgeschichtlich und gesellschaftspolitisch interessierten Leser −

DIE SCHWARZE MACHT − Der »Islamische Staat« und die Strategen des Terrors

(ISBN 978-3-421-04694-9) ist als gebundene Ausgabe im Schutzumschlag beim DVA (Deutsche Verlags-Anstalt) erschienen und kostet € 19,99.

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